Künstler aus Gugging
Im Kabinett: Tita Ruben

Die Künstler aus Gugging
sind spätestens seit der Verleihung des Oskar Kokoschka-Preises an sie im Jahr 1990 ein Begriff. International ausgestellt und gesammelt (Setagaya Art Museum, Tokyo, Philadelphia Art Museum, Los Angeles County Museum of Art, Collection de´l art brut, Lausanne, usw) waren sie bisher erfolgreicher als fast alle anderen lebenden österreichischen Künstler.

Das Haus der Künstler in Gugging,
in dem diese psychiatriebetroffenen Künstler leben und arbeiten, ist seit Jahren privatisiert. Als Träger fungiert der gemeinnützige Verein „Freunde des Hauses der Künstler in Gugging“. Dieses Haus der Künstler ist eines der weniger als ein Dutzend zählenden Zentren der Kunstrichtung Art Brut weltweit. Es wird nach Eröffnung des nun entstehenden Kulturzentrums der bedeutendste Treffpunkt zwischen Art Brut und der Mainstream-Art weltweit sein.

Das zukünftige Integrative CulturCentrum Gugging
wird die bedeutendste Sammlung Gugginger Kunst, die dauernd präsentiert wird, beherbergen (Privatstiftung - Künstler aus Gugging). Darüber hinaus werden eine Galerie der Künstler, Ateliers, die“Villa“ für darstellende Kunst, Musik, Symposien und Lesungen, sowie ein Shop und ein Kaffeehaus dieses international Kulturzentrum vervollständigen.

Die Galerie der Künstler aus Gugging arbeitet seit 1999 erfolgreich mit der Galerie 3, Renate Freimüller, zusammen. Das ist jetzt die dritte Ausstellung mit Werken der Künstler aus Gugging, die in Klagenfurt von 14. April bis 11. Juni 2005 gezeigt werden wird. Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage www.gugging.org unter „neuere publizierte Texte“.
 
 
 
Tita Rubens Installation in der Galerie 3

Der sexuelle Missbrauch an Kindern steht im Zentrum der aktuellen künstlerischen Arbeit von Tita Ruben. Schlagworte, wie Opfer, Täter, Zeuge, Schuld, Wahrheit, Verdrängung, Mittäterschaft, Ausgeliefertsein sind Begriffe, die Tita Ruben rund um das tabuisierte Thema oszillieren lässt. Die Künstlerin versucht in die Abgründe des menschlichen Daseins vorzudringen, die sich nur allzu oft in einer heimeligen, rosa Atmosphäre auftun. Das häusliche Umfeld ist primärer Tatort, jener privat geschützte Raum, der in unserer bürgerlichen Vorstellung mit einem Ort des Zurücklehnens, des Friedens und der Vertrautheit assoziiert wird.

Wenn Sie aus dem Lift in den Galerievorraum treten, so hält Ihnen Tita Ruben eine Wäscheleine mit schwarzer Babyunterwäsche vor Augen. Unumgehbar ist die Szenerie, ohne einer tiefen Verneigung kein Weiterkommen möglich. Die Wäscheleine als Inbegriff der häuslichen Utensilien fungiert hier als Grenze, deren Überschreitung in die tabuisierte Welt des Missbrauchs führt. In die Welt hinter dem rosa Schein, wo Vergewaltiger auch vor den Jüngsten nicht halt machen und Missbrauchte schon in den ersten Lebensjahren ihren ersten Tod sterben.

Beim weiteren Vordringen wird Ihnen ein Spiegel vorgehalten. Der Betrachter liest die Worte „Opfer“, „Zeuge“, „Täter“ über seinem Spiegelbild und wird unerwartet mit Zuweisungen konfrontiert. Auf jeden könnten diese zutreffen. Die Buchstaben wurden mittels Sandstrahlung in die glatte Oberfläche des Spiegels geritzt. Es ist ein Verweis auf das autoaggressive Ritzen, eine Form der Selbstverletzung, die häufig von missbrauchten Teenagern eingesetzt wird, um einen Weg aus ihrer Empfindungsunfähigkeit zu finden: „Wenn ich die Wahl habe zwischen dem Nichts und dem Schmerz, dann wähle ich den Schmerz“.

Treten Sie in das Kabinett, finden ein Kinderzimmer vor. Einen rosa Teppich, eine heimelige Welt, die in Ordnung zu sein scheint. Tita Ruben spielt mit dem Taktilen, stellt über das räumliche Erleben beim Betrachter zunächst ein Gefühl des Wohlfühlens her. Die Künstlerin verstärkt das appellative, programmatische ihrer Arbeit durch eine Unmittelbarkeit, die wesentlich dadurch entsteht, dass sie den Betrachter sinnlich in die Auseinandersetzung mit einbezieht.
 
An der Wand des Zimmers finden sich auf rosa Grund 12 Arbeiten mit dem Titel „Kinder.Spiel.Zeug“. Reduzierte Grafiken, Schablonen von Babys (oder Puppen?), die mit Spielzeug gleichgesetzt werden. Da sieht man die Kontur eines Babys vor einer Tapete aus Massagestäben, wie man sie im Quellekatalog vorfindet, beides scheinbar harmloses Spielzeug für Erwachsene. Oder es bilden populär gebrauchte Floskeln, wie der bekannte Liedtext „Sugar, honey, honey, you´ve got me wanting you“ die Kontur eines Babys, um jener häufigen Zuweisung an die Opfer, sie hätten ihre Vergewaltiger provoziert, entgegenzutreten.
 
Das Spiel mit dem scheinbar harmlos Alltäglichen, Klischeehaften bestimmt auch die gegenüber liegende Wandinstallation Tita Rubens, ein Band aus Kreuzen, dass sie „M-Friess“ nennt. Der Buchstabe „M“ provoziert im Kontext des Missbrauchs Assoziationen zu den Worten Mäuschen, Mädchen, Mörder, oder zu mouth, also Mund, aber auch Lippe oder Schamlippe. Die Form des Kreuzes wird hier von Tita Ruben bewusst als künstlerisch längst überstrapazierte Ausdrucksform von Macht und Ohnmacht gewählt. Die Bausteine der Kreuze bilden gespannte Mausefallen = Mädchenfallen, mit gestempelten Schamlippen als Köderzeichen. Darunter die Warnung: „Berühren verursacht Schmerz“.

Tita Ruben kritisiert hier den unreflektierten Gebrauch der Alltagssprache, wie etwa den Gebrauch des Begriffs „MÄUSCHEN“ für Mädchen oder Frau, der Weiblichkeit mit Spielzeug gleichsetzt, mit etwas, dass dementsprechend gefangen und benutzt werden darf. Ihre Arbeit ist ein Versuch der Sensibilisierung für jene, auch sprachlichen, Grauzonen, in denen der Verharmlosung des Missbrauchs an Frauen oder Mädchen Vorschub geleistet wird.

Elke Slemenik

Ausstellungseröffnung:
Donnerstag, 14. April 2005, 19.00 Uhr
Tita Ruben und einige der Künstler aus Gugging sind anwesend.
Über Ihren Besuch würden wir uns sehr freuen.


Ausstellungsdauer:
15. 04. – 11. 06. 2005

Öffnungszeiten:

Mi. u. Fr. 11 – 18 Uhr,
Do 11 – 20 Uhr,
Sa. 10 – 12 Uhr