Günter Brus - "Kärnten"

Aus Kärnten stammt eine besonders große Anzahl an bedeutenden zeitgenössischen Künstlern. Darum bin ich nicht selten erstaunt, wenn ich einen Mangel an Selbstbewußtsein der Kärntner Kulturschaffenden zu registrieren glaube. Wahrscheinlich liegt dies nicht so sehr am permanenten Abwandern der heimischen Künstler, sondern vor allem an der besonderen politischen Situation in diesem Land.

Ein junger Künstler, der an seinem Bemühen nicht den Maßstab 'Internationalität' anlegt, wird immer unter Minderwertigkeitsgefühlen leiden, so sehr ihn auch seine Region mit Lob und Ehrungen entgegen-kommt. Dies war schon so zu Zeiten eines Dürer, Rembrandt oder Goya.

Politiker unserer Gegenwart, die aus bloßer Dummheit oder sturer Ignoranz den Stand der Weltkunst nicht wahrnehmen können oder wollen, kennt man auch hinter den carinthischen Bergen. Aber was in Klagenfurt und Umgebung so beklemmend ist, ist die landläufige Volksverhetzung, deren Progression vor Wahlen auffällig zunimmt.

Während beispielsweise in den Bereichen Medizin, Physik oder Wirtschaftswissenschaft internationale Fachberater tätig werden können, umgibt sich die politische Prominenz in Kärnten mit provinziellen Stümpern, welche jederzeit imstande sind, Pollock mit Polke zu verwechseln, so sie diese Namen überhaupt jemals vernommen haben.

Da die Volkskunst alten Zuschnitts in unseren Breiten ausgestorben ist, soll die zeitgenössische Kunst als 'gemäßigte Moderne' also dem Volk zur Verfügung gestellt werden. ( In Kärnten nennt man dies 'Kriemhild-Informel' ).

Aber niemand von den carinthischen Kulturaufsehern käme auf die Idee, eine 'gemäßigte Medizin', eine 'gemäßigte Physik' oder eine 'gemäßigte Wirtschaftswissenschaft' voranzutreiben: Auf diesen Gebieten streben sie gerne nach zeitgenössischen Rekorden und müssen nicht selten von Künstlern oder anderen Menschen mit Kultur eingebremst werden.

Eine europäische Kunstgeschichte kann ohne gleichzeitiger Beschäf-tigung mit Skandalen nie geschrieben werden. Die Liste der sogenann-ten 'Klassiker', die vor Gericht standen oder sonstwie angeprangert wurden, ist enorm groß. Verantwortlich dafür waren früher die katho-lische Kirche und die diversen totalitären Regime. Heute sind dafür die 'Demokratischen Diktaturen' zuständig.

Da die Kunst schon längst, ehe diese Begriffe in aller Munde waren, Tiefenpsychologie oder Atomphysik war, hat sie naturgemäß einen ziehmlichen Abstand vom Bauch des Volkes erreicht. Es ist die Aufgabe der Volksvertreter, ihren Wählern dies unentwegt klarzumachen.

Dies gilt auch für Kärnten.

Günter Brus